Vor über 20 Jahren kam Paulina Mihai (geboren 1949 in Clejani, südwestlich von Bukarest) von Bukarest nach Berlin. Die Malerin studierte von 1968 bis 1974 an der Kunstakademie Bukarest. Seit den 70er Jahren hat sie an zahlreichen Ausstellungen teilgenommen und verschiedene Stipendien und Preise erhalten. Ihre Werke befinden sich weltweit in privaten und öffentlichen Sammlungen. Zum 20jährigen Jubiläum ihres Berlin-Aufenthalts wurde 2001 eine Ausstellung in den Räumen des rumänischen Kulturinstituts organisiert. Anlässlich der Ausstellung hielt die Leiterin des Kulturinstituts, Dr. Ruxandra Demetrescu, einen Vortrag über Paulina Mihais malerische Verwandlung in den Berliner Jahren und über die Traditionen der rumänischen Malerei: “Diese Verwandlung hat sich in einem ganz bestimmten Sinn entwickelt; und diesen Weg – denn es handelt sich um einen WEG – möchte ich als Befreiung der Malerei bezeichnen: Befreiung von der Natur, um die Natur selbst, die Quintessenz der Natur besser darzustellen; Verzichten auf die Landschaftsmalerei, nicht weil sie sich von der Natur entfernte, sondern um die äußerliche und innerliche Natur zusammen in einem Bild sichtbar zu machen. Denn, wie ein großer Philosoph des 20. Jahrhunderts, Jacques Maritain, so schön sagte: Die Enthüllung des Ichs hat die Darstellung der äußerlichen Schönheit in der modernen Kunst völlig ersetzt” In ihrem Vortrag ging Frau Demetrescu auf die rumänische malerische Tradition ein, die Paulina Mihais Bilder erzählen. Ihre Bilder wachsen aus einer Tradition heraus, die eine Vorliebe für Farbe und für Landschaftsmalerei hat. So ist in Paulina Mihais Bildern der Sinn für die Farbe und den Geist der Synthese allgegenwärtig, einen Geist, den man in der ganzen Geschichte der rumänischen Kunst erkennen kann. Paulina Mihai führt einen radikalen Abstraktionsprozess durch. Diese Synthese und Abstrahierung ist ein Kennzeichen der modernen Malerei seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. So reihen sich ihre Bilder in die europäische Tradition ein, in der das Schaffen der Realität nicht mehr synonym mit der Wiedergabe der Wirklichkeit ist. “Die Befreiung des Auges war die neue Affirmation der Sichtbarkeit; so wie uns die berühmten Worte von Klee lehren: Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar. Und wir wissen heute, dass das Auge des Künstlers ein durchaus privilegiertes ist, uns die Wirklichkeit bekannt zu machen, so wie die Kunst ein bestimmter Weg zur Kenntnis ist. Die Kraft der Bilder – die Kraft, nicht die Macht – von Paulina Mihai ist offensichtlich; und meiner Meinung nach ist eine solche Stärke eine besondere Gabe in der Kunst. Diese Kraft hat nichts mit der Größe des Bildes, sondern mit dessen Monumentalität zu tun. Die Bilder. von Paulina zerstören sozusagen die Mauer – und das ist eine seltsame Erfahrung – ich z. B. erlebte sie nur einmal, als ich die Impressionisten in Jeu de Paume gesehen hatte. Die Kraft der Bilder von Paulina ist Kraft der Farben und der malerischen, konkreten Materie: Zusammen bilden sie die Magie, “la magie”, wie es so schön Diderot nannte, die uns in die künstlerische Wirklichkeit hineinführt. Und vor diesen Bildern könnten wir, können wir mit Marees Worten sagen, “Sehen lernen ist alles”. Das sollten wir alle tun, das hat Paulina Mihai schon seit langem geübt, denn sie war zum Sehen geboren.”
Paul Baiersdorf
in: Ingrid Baltagescu & Paul Baiersdorf
Wege zwischen Rumänien und Berlin
Herausgeber: Der Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration.
Berlin 2004. Seite 68
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