Lingnau

Paulina Mihai – Malerei

Die Arbeiten von Paulina Mihai lassen sich – im Rahmen dessen was künstlerisch in der Welt geschieht – unter drei wesentlichen Aspekten betrachten, die man trennen kann, auch wenn sie natürlich im künstlerischen Ergebnis eine Einheit bilden. Diese Aspekte heißen Linie, Farbe und Materie. Man mag auch spezifischer sagen: die Expressivität der Linie, die Expressivität der Farbe und die Expressivität der Materie. Der Ausdruck ist hierbei weniger auf das Subjekt als auf das Wesen eben dieser drei bildnerischen Elemente gerichtet, so wie ganz allgemein gesprochen, eine Linie, eine Farbe, eine Struktur Ausdruck haben können, ohne das “jemand” sich durch sie hindurch ausdrückt. Das ist, jenseits der Selbstverständlichkeit, daß ein Künstler sich durch sein Werk immer ausdrückt, wichtig weil man die Malerei von Paulina Mihai verfehlen würde, wenn man glaubte ihre Kunst diene vor allem dem Subjektiven. Ihr geht es stets um das Objektive, für sich bestehende, von der Gefühlswelt des Künstlers losgelöste Faktum Bild. Was diese Bilder ausdrücken ist nicht die Spiegelung von Eigenschaften des Künstlers, als vielmehr eine vom Künstler sichtbargemachte Eigenschaft des Bildes selbst.

Die Linienführung von sprödem und bisweilen hartem Charakter ist eine, die abrupt gegen Widerstände ankämpft und keine von melodiösem sich selbst genießendem Fluß. Die Linie in diesem Sinne demonstriert eine Aktion, die schwarzen Graphismen konturieren und durchkreuzen. Nicht eine festgefügte Form ist das Wesentliche, sondern der dynamische Verlauf der Linie, wodurch der Gedanke an geometrische Strukturen in den Bildern fast völlig ausgelöscht wird.

Der Umgang mit der Farbe läßt eine gewisse Neigung zur Monochromie erkennen, die aber nie in monchromer Malerei endet, die Farbe wird nicht absolut gesetzt. Auch die Auffassung der Farbe tendiert zum Materiellen, die hier durch die Beimischungen verschiedener Stoffe in die Farbe angedeutet ist. Die Farbe ist nicht das, was auf die Leinwand aufgetragen wird, sondern Eigenschaft des Materiellen

Entgegen der Malerei mit ihrer malerischen Schrift, der “peinture”,  haben wir es mit einer Vorstellung von dichten, harten, verkrusteten Materialien zu tun, die mehr will als flüssige Farbe, dem eigentlichen Material der Malerei. Bilder sind so weniger Bilder von etwas, als Bilder durch etwas; durch Material eben. Die stofflichen Eigenarten der Bilder wie hart, weich, scheinhaft, schwebend, solide, usw. werden zu Elementen des bildnerischen Denkens. Bei allem Interesse an der Materialität werden die Bilder aber nie zu Materialbildern im Wortsinne. Es handelt sich um eine Malerei die Erkundungen der Materialität betreibt, aber immer Malerei bleibt.

Die Bilder gehören zu einer gegenstandslosen Welt. Ihr strukturelles Gerüst hängt mit den Überlegungen über einen Weg zusammen, die Welt in ein Bild zu verwandeln. Auf experimentelle Art wird nach der Möglichkeit der Abschaffung vorgegebener Malstrukturen gesucht. Gerade das aber bedarf gegenständlicher Reste oder wenigstens linearer Strukturen. Bei den Verfahren der abstrakten Malerei führt das häufig, fast zwangsläufig, zu Geometrisierung. In den Bildern von Paulina Mihai erscheinen dagegen häufig Naturformen oder besser Naturfragmente. Die Bildhaut erinnert gelegentlich an Erde, manchmal gibt es einen Horizont u.ä.. Trotz der naheliegenden Assoziation zur Landschaft haben wir es aber nicht mit Landschaftsmalerei zu tun. Die Malerin wird zu einer Geologin oder Ausgräberin in einer Welt, die viele Geheimnisse birgt, sie weiß, daß sie diese Geheimnisse nicht enträtseln kann und enthüllt darum nicht die endgültige und vertraute Form – keine “Entformen”, wie Paul Klee sagte – sondern nur Zeichen und Chiffren, die nicht zu deuten und die doch bedeutsam sind. Die Malerin versteht sich nicht als jemand, die ein sekundäres Nachbild von einer primären Wirklichkeit schafft. Es soll nicht die Illusion des sinnlichen Lebens, der Wirklichkeit erweckt werden. Die Bilder sind so weniger ein festes Ding, eine materielle Realität, als vielmehr ein Prozeß der Darstellung, in dem vor allem die Schwere und die Materialität zur Anschauung gebracht werden.

Jochen Lingnau

Text zur Ausstellung in der Galerie Stil und Bruch, Berlin 1994
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