Paulina Mihai – Malerei und Vera Krickhahn – Skulpturen
Polarisation – der Titel dieser Ausstellung weist auf ein Novum hin und zugleich auf die mögliche Spannung, die zwischen den Werken der beiden autark wirkenden Künstlerinnen entsteht.
Letztere ist die der Wahrnehmung von Malerei und Skulpturen, die in dieser Ausstellung ein Ensemble von künstlerischen Werken bilden, also gemeinsam wirken, sich in der Wahrnehmung ergänzen, beeinflussen oder auch separieren.
Das Novum ist, daß beide Künstlerinnen zum ersten Mal gemeinsam ausstellen, hier im Rumänischen Kulturinstitut. Sie heben ihre Werke damit in eine Situation, die Raum lässt für ein Zusammenwirken und Ergänzen, aber auch für Abgrenzung und Konfrontation. Diese Situation ist gewollt und vermittelt dem Betrachter die Möglichkeit des Umgangs mit Kunst. Es ist die der Kommunikation, die in dieser Ausstellung gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen gelingt.
Die erste ist die eben allgemein beschriebene: das Aufeinandertreffen von zwei Gattungen der Bildenden Kunst – Malerei und Bildhauerei. Es ist das Aufeinandertreffen der künstlerischen Auseinandersetzung auf der Fläche und die der Dreidimensionalität, es ist die des Umgangs mit dem Material Farbe, Metall, Holz und Plexiglas. Und es ist das Aufeinandertreffen der jeweiligen Inhalte, also was sich in den vorgefundenen Ausdrucksformen beider Künstlerinnen als Ausgangspunkt oder Motivation verbirgt und auf spezifische Art sichtbar ist. Schon dies eröffnet ein Universum, das des Reichtums künstlerischer Gestaltung.
Die zweite Ebene der Kommunikation ist die der Betrachtung. Die Wahrnehmung des jeweiligen Werkes und seiner hier räumlichen Zuordnung zu den anderen, aber aus der individuellen Perspektive eines jeden Betrachters. Auch das eröffnet einen Freiraum, den der Phantasie und der persönlichen Seherfahrung.
Die dritte Ebene ist die des unmittelbaren Austausches miteinander, den diese Ausstellung ermöglicht. Auch hier eröffnet sich ein Reichtum, denn die Begegnungen finden statt zwischen Bekannten und (noch) nicht Bekannten. Das sich damit ein Reichtum verbindet, der sich aus der jeweiligen Person selbst bestimmt ist fast schlüssig.
Kennzeichen dieser Ausstellung ist:
Malerei von Paulina Mihai – ist der eine Pol. Der andere die Skulpturen von Vera Krickhahn.
Beide Künstlerinnen sind in Berlins Kunstlandschaft längst nicht mehr unbekannt. Sie heben sich mit herausragenden Ausstellungen oder auch Kunst am Bau heraus. Die historischen und künstlerischen Wurzeln beider Künstlerinnen sind different und doch ähnlich.
Paulina Mihai ist in Rumänien geboren und hat dort ihre künstlerische Ausbildung an der Kunstakademie Bukarest erfahren. Ihre Kunst offerierte sie in dortigen Museen, in der Kunsthalle Bukarest und nahm teil an Ausstellungen und Symposien in Polen, Ungarn und Frankreich. Ab 1981 lebt sie in Berlin und nimmt hier am Kunstleben teil, so an den Freien Berliner Kunstausstellungen, mit Ausstellungen in der Kunsthalle Berlin, im Kunstverein Schering, in verschiedenen Galerien. Ihre Malerei erweist sich als ein Kontinuum der Abstraktion, wobei die Materialität der Farbe stets zur Auseinandersetzung zwingt, die sich im Malprozeß mit Linien und Strukturen ergänzt.
Auseinandersetzung mit der Spezifik unterschiedlicher Materialien, kennzeichnet das Schaffen von Vera Krickhahn. Ihre Arbeiten leben von dem Kontrast zwischen spielerischem Erkunden und angestrebter Sachlichkeit der Form. Das trifft sowohl auf die Faltungen aus Eisenblech als auch auf die stelenartigen Arbeiten aus Holz und Plexiglas zu. Materialerkundung ist gleichzeitig Gestalterkundung.
Vera Krickhahn, eine in Berlin geborene Künstlerin, hat ihr Studium der Bildhauerei als Meisterschülerin an der Hochschule der Künste Berlin 1971 beendet. Sie war neben der freischaffenden Tätigkeit bis 1989 Dozentin an der Volkhochschule in Berlin-Kreuzberg, übernahm Lehraufträge an der Gewerbeförderungsanstalt Berlin und an der HdK Berlin. Seit 1974 ist sie in unterschiedlichen Ausstellungen präsent, so u.a. in Berlin (Ost und West), Heidelberg, Paris, Prag. Wichtig ist ihr der Dialog untereinander, Kommunikation, die sie zur Initiatorin von Projekten macht und die zulässt, daß sie sich Begegnungen mit Künstlern und ihren Werke aussetzt. Kommunikatives Arbeiten ist für sie auch, sich auch thematischen Auseinandersetzungen zu stellen. Zeugnisse davon findet man im öffentlichen Raum, so u.a. am Rathaus Charlottenburg. Oder in Ausstellungen wie einst in Minsk und Berlin, die sich thematisch artikulierte: Der Krieg trifft jeden ins Herz.
Was diese Ausstellung charakterisiert ist das Wagnis erneuter Kommunikation – zwischen den beiden miteinander befreundeten Künstlerinnen und ihren Werken, die nicht auf diese Ausstellung bezogen entstanden sind, sondern wie Pole aufeinander wirken.
Es ist dies die Malerei, die großzügige Farbflächen auch im kleinen Format formuliert. Die Bilder scheinen seriell gearbeitet, fügen sich aneinander und sind doch von eigenständiger Wirkung, enthöbe man das eine oder andere Werk der hier anzutreffenden Reihung.
Die Farbflächen bilden abstrakte Formen mit weicher Kontur, fleckartige noch als geometrische Flächen erkennbar. Ein zum Oval tendierender Kreis, konkave und konvexe Begrenzungen von Vierecken. Was das Auge zum Gegenstand formen mag ist von der Künstlerin frei provoziert, vielleicht das Bild eines Frauentorso in der Landschaft, eine Landschaft selbst, bestehend aus Wasserläufen, Vegetation und Himmel.
Es gibt keine eindeutigen Konturen. Die Farbflächen in der Begrenzung wirken gebrochen und ihre Schichtung lässt ein Vibrieren, ein Schimmern von hellen und dunklen Werten zu. Vorder- und Hintergrund sind nicht eindeutig in eine Perspektive gedrängt, sondern spielen gleich einem Vexierbild miteinander. Vegetativ erscheinende grafische Formen halten das Bildganze. Das satte Grün oder tonartige Braun sind die Raster, in denen sich die farbenen Flächen begegnen, sich zu körperhaften Gebilden wandeln. Diese erscheinen pastos gesetzt, verbergen so die ihnen unterliegenden Schichtungen der schnelltrockenen Acrylfarbe.
Eine über Jahre währende Naturerfahrung liegt diesen Werken zugrunde, Rumäniens waldige Gebirgszüge, das lichtschimmernde Mittelmeer an den Küsten Südfrankreichs, die herbstigen Bäume aus der Gegenwart. Es ist darin die Urkraft der Elemente zentriert, Luft, Wasser, Erde. Indirekt fließt daraus einer Kraftquell gleich der Farbenstrom, den Paulina Mihai in unterschiedlichen Formaten zu betten weiß.
Paulina Mihai arbeitet substanziell, die Acrylfarbe, ihr jetziges Mittel muß die Schübe farbener Expression aufnehmen und halten. Sie wird in eine Zähflüssigkeit versetzt, so daß sie die Wucht wie auch Zügigkeit des Farbauftrags gebremst, verhaltend gemacht wird. Die Energie der Erfahrung fließt in die des Machens und teilt sich dem Sehenden mit. Insofern wirken ihre Bilder spirituell.
Die farbene Fläche auf der Leinwand die Dimension von Raum zu verleihen, formuliert die Malerei von Paulina Mihai. Das sich der skulpturale Raum aus Flächen zusammensetzen kann, beweisen die konstruktiv wirkenden Faltungen aus Eisenblech von Vera Krickhahn. Mit „L´arche sind” diese Arbeiten betitelt, einer Reihe von fünft großformatigen Formungen aus Metall. Aus der Zeichnung erwuchsen diese Skulpturen, denen das eine Vielgestaltigkeit in sich selbst eigen ist. Diese erwächst aus der geöffneten Form, die unzählige Durchblicke zulässt. Je nach Standpunkt des Betrachters verändert sich die Eindeutigkeit zur Mehrdeutigkeit. Das mag auch für eine Metapher stehen, das Leben und den Menschen betreffend. Auch in der strengen Ordnung von Acrylglas in den Holzquadern ändert sich sich die wahrgenommene Erscheinung der skulpturalen Form. Aber nicht allein das ist das Anliegen der Künstlerin.
Zunächst macht sie auf ein geheimnisvolles Zusammenspiel der Materialien aufmerksam, das fasziniert. Der hier gestaltete Zusammenhang, der sich aus einem Gegensatz zu ergeben scheint, birgt einen anderen, natürlichen. Es ist die Natur in ihrer Millionen Jahre umfassenden Dimension von Veränderung, die gleichsam der gemeinsame Ursprung der verwendeten Materialien ist. Aus organischen Stoffen wie Holz entstand ein fossiles Element, das Erdöl, aus dem heute u.a. das Plexiglas gefertigt wird. Eine Dimension von Dasein wird so eröffnet.
Was sich aber mitteilt über den Inhalt der Texte bei der Skulptur „Totem” oder durch die Lichteffekte der farbigen Bearbeitung des sonst transparenten Plexiglases ist die Dimension der Betrachtung, die ihre Werke auszulösen vermögen.
Mit farbigen Bewegungsläufen oder Texturen, die das Plexiglas festhält, welche die Künstlerin aber nur im Akt von Annähern und Entfernung vom Gegenstand dem Betrachter visuell erfassbar macht, löst sie Veränderung des Standpunktes aus. Damit unterstellt sie ihre Skulpturen einer ganzheitlichen Betrachtung, die sowohl auf das visuelle Erleben als auch die emotionale wie geistige Hinwendung immanent ist.
So sind ihre Skulpturen sinnbildhafte körperhafte Formulierungen, die auf Zwischentöne unterschiedlicher Daseinsformen aufmerksam machen, die Ganzheitlichkeit von Welt betreffend.
Petra Lange
Berlin, den 3.11.2001
Rede zur Eröffnung der Ausstellung : Polarisationen
Rumänisches Kulturinstitut Titu Maiorescu, mit der
Galerie Petra Lange, Berlin
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